Text | Porträt | MaerzMusik 2025

Pamela Z

Pamela Z steuert mit Gesten Musikcontroller auf einer Bühne.
Pamela Z
© Gretchen Robinette

Porträt einer Pionierin der Experimentalmusik von Rachael L. Lansang

Verfügbar seit 26. Februar 2025

Lesezeit ca. 10 Min

Wortmarke MaerzMusik

Die Composer-Performerin und Medienkünstlerin Pamela Z ist eine zentrale kulturelle Akteurin in San Francisco, einer pulsierenden Küstenstadt im Norden Kaliforniens in den Vereinigten Staaten. Als junge Erwachsene fühlte sie sich von der dortigen lebendigen Szene für experimentelle Kunst angezogen und zog nach ihrem Studium von Colorado dorthin. Die Wahlheimat von Z erwies sich als fruchtbarer Boden für ihre Kategorien übergreifende musikalische Arbeit, in der Stimme und Live-Elektronik mit Performance und Multimedia-Kunst kombiniert werden. Dennoch ist sie eine kosmopolitische Künstlerin, die ihre eigenen Werke und zahlreiche Kollaborationen in Konzertsälen, auf Festivals und in Kunstmuseen auf der ganzen Welt präsentiert hat – von der Alice Tully Hall im Lincoln Center und dem Museum of Modern Art in New York über die Biennale di Venezia und das Festival Interlink in Japan bis hin zur Walt Disney Concert Hall in Los Angeles und der Dak’Art in Dakar, Senegal. Seit Beginn ihrer Karriere hat Z die Aufmerksamkeit von Wissenschaft und Kritik gleichermaßen auf sich gezogen. Ihr Stil ist zugleich experimentell und einzigartig zugänglich, da sie auf alltägliche Worte und Klänge zurückgreift und diese mit ihrer experimentellen Technik und virtuosen Musikalität verbindet. Für ihre Arbeit hat sie zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Unter anderem war sie Stipendiatin der Guggenheim Foundation und wurde mit dem Rome Prize, dem Doris Duke Impact Award und dem American Academy of Arts and Letters Walter Hinrichsen Award in Music ausgezeichnet.

Z wurde 1956 in Buffalo im US-Bundesstaat New York geboren, verbrachte aber die meiste Zeit ihrer Kindheit in Denver, Colorado. Sie entstammt einer Familie von talentierten Amateurmusiker*innen und komponierte und spielte schon früh Musik. Während ihres Studiums an der University of Colorado studierte sie klassischen Belcanto-Gesang und Musikpädagogik, obwohl ihre Vorlieben als Zuhörerin und Interpretin von ihrer klassischen Ausbildung oft drastisch abwichen. Noch vor ihrem Abschluss trat Z regelmäßig in lokalen Clubs und Cafés auf. Ihre Setlist bestand aus einer Mischung aus Folk- und Popmusik-Covern und eigenen Kompositionen in ähnlichem Stil.

Die Künstlerin hält sich den Zeigefinger an den Mund. Im Hintergrund Projektion des Funktionsapparats der Stimme.
Pamela Z
© Laurie Eanes

Obwohl Z nach Abschluss ihres Studiums kurzzeitig an öffentlichen Schulen unterrichtete, konnte sie ihren Lebensunterhalt mehr noch durch ihre immer besser laufende Karriere als Performerin bestreiten. Nach ihrem Universitätsabschluss lernte sie die Szene für avantgardistische Kunstmusik besser kennen, da sie eine wöchentliche Sendung bei einem lokalen Radiosender moderierte. Unvermittelt entstand eine neue Spannung in Zs musikalischem Leben – diesmal zwischen der experimentellen Kunstmusik, zu der sie sich als Zuhörerin hingezogen fühlte, und dem Folk-Pop-Sound, mit dem sie auftrat. Die Begegnung mit Künstler*innen wie Edgard Varèse, Pauline Oliveros und Ned Rothenberg veranlasste sie dazu, tiefer über ihre eigene künstlerische Stimme nachzudenken und darüber, wie sie zu dieser experimentellen Ästhetik passen könnte.

In den frühen 1980er-Jahren drängten neue Technologien in die Welt der elektronischen Musik. Eine entscheidende Zäsur in Zs früher Karriere stellte der Beginn ihrer Auseinandersetzung mit digitalen Loops dar, die die Grundlage für einen Großteil ihres Kompositionsstils bilden sollten. Ihr erstes Aufeinandertreffen mit dieser Technologie ist in ihrer Fangemeinde zum Mythos geworden: Zum ersten Mal sah sie sie bei einem Solo-Set des Bassisten Jaco Pastorius während eines Konzerts der Jazz-Fusion-Band Weather Report in Aktion. Die Technik beruht auf dem Einsatz von Loop-Pedalen, mit denen Musiker*innen Passagen ihres eigenen Spiels aufnehmen und in Echtzeit wieder abspielen, wobei die geloopte Aufnahme oft als eine Art Zuspiel oder Begleitung dient. Zu dieser Zeit war die Technologie gerade erst dabei, in experimentellen, Jazz- und Popmusikkreisen immer häufiger Anwendung zu finden. Sie beschreibt den Moment der Erkenntnis über ihre ästhetische Neigung zu dieser technologischen Neuerung als „so plötzlich, als hätte jemand einen Schalter umgelegt“. Direkt am Tag nach dem Weather-Report-Konzert kaufte sich Z digitale Hardware-Delays und tauchte sofort in eine neue Art des musikalischen Experimentierens ein: „Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan“, behauptet sie. Inmitten dieser künstlerischen Umbruchsphase zog Z nach San Francisco, das bis heute ihr Zuhause ist.

Es folgten neue Kompositionen und Solo-Performances mit Stimme und Live-Elektronik. Zwei ihrer Soloalben, „Echolocation“ (1988) und „A Delay is Better“ (Stücke, die zwischen 1986 und 1997 komponiert wurden, deren Veröffentlichung aber erst im Jahr 2004 erfolgte), legen die zahlreichen Arten offen, auf die die Entdeckung des Live-Loopings ihre frühen Kompositionen prägte. In jenen Jahren benutzte Z Hardware-Delays, um ihre Stimme für Solo-Performances aufzunehmen und zu schichten, obwohl sie heutzutage hauptsächlich Max/MSP-Software auf einem Apple-Laptop verwendet. Diese frühen Stücke machten Zugeständnisse an den Prozess der Abstraktion. In ihren Solo-Kompositionen interessiert sich Z mehr für die klanglichen Potenziale der Sprache und die melodische Natur des gesprochenen Wortes als für die direkte Kommunikation von Inhalten. „Ich versuche, dieses Unerklärliche zu vermitteln, das die Kunst auszudrücken im Stande ist und die Sprache nicht.“ Oft greift sie auf von ihr aufgefundene Texte oder sogar nur auf einzelne Phoneme zurück, um davon ausgehend Songs zu schaffen, und überlässt dabei dem Publikum die Interpretation ihrer Abstraktionsleistungen.

  • Aufnahme der Künstlerin in einem langen Raum mit großer Tiefe, alle Wände sind weiß gefärbt.
    Pamela Z
    © Mark Poucher

Obwohl Zs Stimme in all ihren Kompositionen eine zentrale Rolle spielt, hat sie auch Pionierarbeit bei der Verwendung mehrerer innovativer, sich stark auf körperliche Gesten stützender elektronischer Instrumente geleistet. Ihre Arbeit basiert also nicht einfach nur auf ihrer Stimme mit elektronischer Begleitung, sondern auf einem komplexen Ineinandergreifen von visuellen und akustischen Medien: „Für mich waren digitale Prozessoren keine ‚Effekte‘, sondern Bestandteile eines viel komplexeren Instruments, zu dem auch meine Stimme und meine körperliche Präsenz gehörten.” Z zählte zu den ersten Nutzer*innen des BodySynth, ein in den frühen 1990er-Jahren entwickelter, tragbarer und kabelloser MIDI-Controller, der durch die Muskeln aktiviert wird. Seitdem setzt sie regelmäßig maßgeschneiderte, gestengesteuerte MIDI-Geräte in vielen ihrer Solo-Performances ein. Diese beruhen also auf einer komplexen Interaktion von Bewegung, Stimme und Technologie. Mit Handbewegungen beschwört sie gesampelte Klänge herauf, während sie gleichzeitig das Publikum mit einer gefühlvoll gesungenen Phrase fesselt. Ihre groß angelegten Soloarbeiten wie „Baggage Allowance“ (2010) oder „Memory Trace“ (2015) beziehen mehrere Medien mit ein und umfassen Videoprojektionen, Lichteinsätze, Choreografie und Inszenierung. Es handelt sich um Mono-Opern, die die Zusammenarbeit von Produktion, Bühnenbild und musikalischer Performance erfordern.

Obwohl Z regelmäßig als Solo-Künstlerin auf Tournee geht und viele groß angelegte Solo-Werke uraufgeführt hat, umfasst ihr Œuvre ebenso eine Vielzahl multidisziplinärer Auftragsarbeiten und Kooperationen mit bildenden Künstler*innen, Tanzkompanien, klassischen Musiker*innen und Videokünstler*innen. Auch als Komponistin ist sie häufig an der Uraufführung ihrer eigenen Auftragswerke beteiligt, sei es als Interpretin oder durch die Bereitstellung von voraufgenommenen Spuren. Sie wurde außerdem damit beauftragt, Musik für Tanz, Theater, Film und Kammermusikensembles wie die Bang on a Can All-Stars und das Kronos Quartet zu schreiben. Ihre künstlerischen Kollaborationen reichten von Auftritten mit anderen prominenten Composer-Performer*innen experimenteller Vokalwerke wie Joan La Barbara bis hin zu groß angelegten Stücken wie dem „Carbon Song Cycle“, der gemeinsam mit der Videokünstlerin Christina McPhee und einem Kammerorchester entstand.

Ihrer beispielhaften Produktivität zum Trotz entwickelt sich ebenso Zs künstlerische Praxis weiter und wächst, da sie sich aktiv und konsequent mit neuen Werkzeugen, Technologien und ihren Kooperationspartner*innen auseinandersetzt. Ihr technisches Können und ihre Virtuosität als Künstlerin, Performerin und Komponistin sind jedoch der rote Faden, der alle ihre Arbeiten verbindet. In ihren eigenen Worten: „Gute Künstler*innen wissen, wie sie mit den von ihnen gewählten Werkzeugen großartige Kunstwerke schaffen können – sei es dank der mangelnden Vertrautheit mit dem Werkzeug, die als Vorteil genutzt wird, oder weil der virtuose Umgang mit dem Werkzeug durch jahrelanges, fleißiges Üben perfektioniert wurde. Denn egal, ob das Instrument akustisch, elektronisch, analog, digital, aus Fleisch und Blut oder eine Kombination davon ist: Ein Werkzeug ist ein Werkzeug ist ein Werkzeug.“